Mit beiden Füssen zum Erfolg
- FC Sarina
- 20. Juni
- 4 Min. Lesezeit
Die gebürtige Saanerin Sina Hauswirth krönte eine starke Saison 2024/25 als beste Torschützin des FC St. Gallen 1879. Im Interview spricht die 21-Jährige über ihre Vertragsverlängerung, den Wert individueller Förderung und weshalb sie schon früh mit beiden Füssen am Ball sein musste.
JONATHAN SCHOPFER
Sie haben Ihren Vertrag beim FC St. Gallen um zwei Jahre verlängert. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?
Für mich war klar, dass ich bleiben möchte. Das Trainerteam des FC St. Gallen hat meine Saison positiv bewertet und mit dem neuen Vertrag haben sie meine Leistung gewürdigt. Und das, obwohl ich noch zu den Jüngeren im Team gehöre.
Was ist Ihr persönliches Fazit zur Saison 2024/25?
In dieser Saison hat man gesehen, dass der FC St. Gallen ganz oben mitspielen kann. Es war insgesamt sehr eng – wir standen zwischenzeitlich sogar an der Tabellenspitze. Am Ende hat es dann aber doch nur für den vierten Platz gereicht.
Gab es für Sie ein besonderes Tor?
Ja, beim Rückspiel gegen den FC Zürich, schliesslich sind sie immer Topfavorit. Bis zur 82. Minute stand es 0:0, dann traf ich zum Siegestor.
Wie werden Sie vom FC St. Gallen gefördert?
Ich war eigentlich immer in Vereinen, in denen auf die individuelle Entwicklung der Spielerinnen geachtet wurde. Das ist auch in St. Gallen so. Das bedeutet zum Beispiel, dass Trainer oder Trainerinnen direkt auf mich zukommen und sagen: ‹Sina, versuch hier mal, den linken statt den rechten Fuss zu verwenden.› Ganz einfache, aber gezielte Hinweise. Auch Videoanalysen kommen zum Einsatz.
Wie sah es beim FC Sarina aus?
Rechts ist mein stärkerer Fuss. Aber die Ausbildung ist heute so aufgebaut, dass man früh beginnt, mit beiden Füssen zu schiessen. Mein ehemaliger Trainer Patric Bill hat sehr darauf geachtet, dass ich das auch umsetze. Das hat mich extrem weitergebracht.
Sind Sie beidfüssig?
Ich würde nicht sagen, dass ich komplett beidfüssig bin, das wäre übertrieben. Aber ich kann definitiv mit beiden Füssen Tore schiessen.
2019 verletzten Sie sich am Kreuzband im rechten Knie. Spüren Sie heute noch etwas davon?
Nein, ich denke auch gar nicht mehr daran. Ich habe wieder volles Vertrauen. Wir sagen immer: Nach einem Kreuzbandriss muss man fünf Jahre überstehen. Die habe ich gut überstanden. Es ist wirklich alles tipptopp, so macht es Spass.
Zu dieser Zeit trainierten Sie noch mit den Jungs beim FC Sarina. Welche Erinnerungen sind Ihnen geblieben?
Es war eine tolle Zeit. Ich war von meinem achten bis zu meinem 15 Lebensjahr durchgehend beim FC Sarina. Was mir besonders geblieben ist: Zwar war ich nach den Spielen in der Garderobe jeweils allein, aber die Jungs haben sich beim Duschen beeilt, damit wir später gemeinsam feiern konnten.
Wie sieht Ihr Alltag im Moment aus?
Die letzten Jahre habe ich 70 Prozent im Büro gearbeitet und pro Woche sechs Trainings absolviert. Dies wird sich ab August ändern, da ich zusätzlich noch die Berufsmaturität (BMS) im Bereich Gesundheit und Soziales mache.
Woher nehmen Sie die Energie?
Kraft geben mir vor allem meine Familie und meine Freunde – einfach die Zeit, die ich mit ihnen verbringen kann. Ich merke, dass ich zu Hause am meisten Energie tanke. Auch wenn ich mittlerweile nicht mehr so oft nach Hause fahre, geniesse ich es umso mehr, wenn ich dort bin. Das Saanenland gibt mir einen ganz besonderen Energiepush.
Haben Sie einen Lieblingsort?
Es gibt viele! Zum Beispiel wandere ich gerne zum Sanetschsee. Oder auf den Hornberg bei der Antenne, wo man eine beeindruckende Aussicht hat.
Wie sieht ein ideales Wochenende im Saanenland aus?
Ganz gemütlich – ausschlafen und dann mit der Familie brunchen. Meine Mutter macht jeweils einen riesigen Brunch (schmunzelt). Im Sommer wandern wir oft, im Winter gehen wir Skifahren. Gerne bleiben wir auch einfach zu Hause und machen nichts. Hauptsache: Zeit mit der Familie!
Haben Sie auch abseits des Fussballfeldes Träume?
Der Fussball steht für mich nach wie vor an erster Stelle. Gleichzeitig schaue ich aber, dass ich nebenbei genug verdiene, um meine Wohnung zu bezahlen und über die Runden zu kommen. Ich möchte gerne die BMS absolvieren, um später vielleicht noch zu studieren.
In welchen Bereichen des Frauenfussballs in der Schweiz sehen Sie Entwicklungspotenzial?
Es gibt sicher noch einiges zu verbessern, vor allem in Bezug auf die Professionalisierung. Es wäre wünschenswert, dass Spielerinnen in der höchsten Liga zumindest eine angemessene finanzielle Entschädigung erhalten.
Wie sieht es mit den Rahmenbedingungen aus?
Auch da besteht Potenzial: Trainingszeiten sollten nicht früh am Morgen oder spät am Abend angesetzt sein. In St. Gallen ist das zum Glück kein Thema, aber in anderen Vereinen gibt es das noch. Idealerweise könnten Spielerinnen am Nachmittag trainieren und das Training sollte nicht auf Nebenplätzen stattfinden. Zudem wäre es wichtig, dass Frauenmannschaften im Verein den Männern gleichgestellt sind.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Dass sie bei der Platzvergabe gleich behandelt werden. Oft ist es noch so, dass die U18 der Männer Vorrang hat gegenüber der 1. Frauenmannschaft. Langfristig wünsche ich mir, dass der Frauenfussball als Teil einer beruflichen Tätigkeit anerkannt und nicht nur als Hobby wahrgenommen wird.
Gibt es ein Ziel, das Sie antreibt?
Schon als kleines Kind hatte ich die Nationalmannschaft im Hinterkopf. Es wäre eine grosse Ehre, irgendwann einmal das Schweizer Nationaltrikot tragen zu dürfen. Das ist auch der Traum vieler Fussballerinnen, irgendwann einmal in rot-weiss aufzulaufen. Beim FC Sarina durfte ich das zwar schon (lacht), aber das ist natürlich nicht dasselbe.
ZUR PERSON
Sina Hauswirth, aufgewachsen in Saanen, ist 21 Jahre alt. Ihre fussballerische Laufbahn begann sie mit acht Jahren im FC Sarina. 2020 wechselte sie ins U19-Team des BSC YB. Neben dem Fussball absolvierte sie eine Lehre im kaufmännischen Bereich. Anschliessend spielte sie in der 1. Mannschaft des Frauenteams Thun Berner-Oberland. Am 1. Juli 2024 wechselte sie zum FC St. Gallen 1879, wo sie seither in der AXA Women’s Super League zum Einsatz kommt. In der Saison 2024/25 etablierte sie sich als Stammspielerin und absolvierte 18 Ligaspiele. Mit fünf Treffern wurde sie zur besten Torschützin ihres Teams in der regulären Saison.
JOS
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